Nach Pisa-Schock: Linke will Schul-Revolution und Ende des „Grundschulabiturs“

                    Artikel von Andreas Schmid / FR

Schule für alle“

Nach Pisa-Schock: Linke will Schul-Revolution und Ende des „Grundschulabiturs“

In Deutschland entscheidet sich der Schulabschluss meistens schon nach der vierten Klasse. Die Linke findet das „total überholt“ – und will daher eine „Schule für alle“.

Schlechtes Zeugnis für Deutschland. Die Pisa-Studie, die schulische Leistungen weltweit miteinander vergleicht, kam Ende 2023 zu dem Ergebnis: Deutsche Schülerinnen und Schüler waren nie schlechter. Sowohl in Mathematik und Naturwissenschaften als auch beim Lesen verschlechterten sich die Ergebnisse deutlich. Wochenlang war daraufhin in Talkshows über den „Pisa-Schock“ debattiert worden, doch wirklich geändert hat sich seitdem nichts. Wie kann das deutsche Bildungssystem wieder nach vorne gebracht werden?

Schule für alle“: Schluss mit Gesamtschule, Realschule, Gymnasium?

Die Linke will das bisherige System gänzlich umkrempeln – und fordert eine „Schule für alle“. Im Programm zur Bundestagswahl heißt es dazu: „Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an.“ Die Sprecherin für Bildung der Partei, Nicole Gohlke, erklärt dazu im Interview mit der Frankfurter Rundschau. „Schule für alle bedeutet, dass die Schüler nicht nach der vierten Klasse aufgeteilt werden.“

Heißt: Das bisherige System aus Gesamtschule, Realschule und Gymnasium wäre Geschichte. Vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler bis zur Oberstufe ein und dieselbe Schule besuchen, ehe sich Bildungswege trennen. „In Island sind Schülerinnen und Schüler bis zur elften Klasse zusammen, in Portugal bis zur zehnten“, erklärt Gohlke. Ähnlich sehe es in Skandinavien aus. „Alle Länder, die erfolgreicher in den Pisa-Studien sind, haben ein anderes Bildungssystem. Davon sollten wir lernen.“

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                                        Nicole Gohlke zu Gast im Münchner Pressehaus.

Ohnehin besteht laut der Linken dringend Änderungsbedarf im deutschen Schulsystem. „Deutschland ist das Land mit der krassesten sozialen Spaltung im Schulsystem und mit der stärksten Vererbbarkeit von Bildungsabschlüssen. Es wäre irrsinnig, keine Schlüsse daraus zu ziehen.“

Ein Ansatz sei es auch, Schülerinnen und Schüler nicht mehr durchfallen zu lassen. „Unser Schulsystem basiert darauf, möglichst viel auszusortieren“, sagt Gohlke. „Aber wichtig ist, dass möglichst viele am Ende mit einem guten Gefühl und mit etwas Gelerntem ins Leben starten – und nicht, dass Neunjährige ihr Grundschulabitur bekommen und dann einer Schulform zugewiesen werden. Das ist total überholt.“

Sprachtests, Förderschulen, Handy-Verbot: Das wollen die Parteien in der Bildungspolitik

Auch die anderen Parteien greifen die Bildungspolitik in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl auf. Die CDU/CSU will „verpflichtende Sprachtests im Vorschulalter“ und schreibt: „Wir stellen Anstrengung und Leistung wieder in den Mittelpunkt, angefangen bei Kernfächern wie Mathe und Deutsch bis hin zu den Bundesjugendspielen.“ Die SPD wiederum will „das Bildungssystem fit machen für die Einwanderungsgesellschaft“ und Schulbücher wie Lehrpläne so anpassen, dass sich Kinder „unterschiedlicher Herkunft mit ihnen identifizieren können“.

Auch die Grünen wollen inhaltliche Änderungen und sogenannte „Basiskompetenzen“ stärker in den Fokus rücken. „Wir fördern die digitalen Fähigkeiten, Medienkompetenz, Bildung für nachhaltige Entwicklung und politische Bildung“, heißt es im Programm. Die FDP greift die Bildungspolitik als ersten Punkt in ihrem Programm auf und verspricht die „weltbeste Bildung für selbstbewusste Bürger“. Das bedeutet wie bei der Union auch verpflichtende Sprachtests. Zudem setzen die Liberalen auf frühkindliche Bildung und bessere Kita-Standards: „Lebenslanges Lernen beginnt bereits im Sandkasten, nicht erst in der Schule.“

Uneinig sind sich die Parteien auch in der Frage, ob es weiter Förderschulen oder mehr Inklusion geben soll. Die AfD will das mehrgliedrige Schulsystem aus Gesamt- und Realschule sowie Gymnasium ebenso erhalten wie Förderschulen. „Die Förderschule sollte wieder zum Regelfall für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden.“ Zum Lehrplan heißt es: „Schule ist kein Ort für politische Propaganda.“

Am ähnlichsten zu den Linken positioniert sich das Bündnis Sahra Wagenknecht. „Wir setzen uns für ein längeres gemeinsames Lernen ein“, heißt es dort, ohne jedoch konkret zu werden. Zudem will auch das BSW verpflichtende Deutschtests und obendrein Handys und Tablets „mindestens bis zum Ende der Grundschule aus den Klassenzimmern verbannen und auch danach möglichst wenig im Unterricht einsetzen“. Ebenso fordert das BSW in der Bildungspolitik mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.

Bislang sind die Schulen Ländersache, weshalb weitgehende Reformen wohl sehr schwierig umzusetzen wären. Das weiß auch Linken-Politikerin Gohlke. „Der Umbau des Schulsystems ist Ländersache und wird nicht von heute auf morgen funktionieren. Aber wir müssen darüber reden.“