Duresmeen Ahmad Sroya: „Wünsche mir mehr Toleranz und Dialog“

Artikel von Nadine Meier-MaazHNA

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Muslima und Feministin: Duresmeen Ahmad Sroya aus Bad Hersfeld engagiert sich unter anderem für Frauenrechte. © Nadine Meier-Maaz

Mitarbeiterin im Frauenbüro des Landkreises Hersfeld-Rotenburg setzt sich für Frauenrechte ein

Drei Heimaten, zwei Kulturen, eine Religion: Duresmeen Ahmad Sroya ist in Pakistan zur Welt gekommen, später in Deutschland und in England aufgewachsen. Seit 2016 lebt die 28-Jährige in Bad Hersfeld – ein „Kulturschock“ nach mehreren Jahren im bekanntlich multikulturellen London, doch mittlerweile hat sie die Kleinstadt lieben und schätzen gelernt. Im Studium beschäftigt sich die verheiratete Mutter von zwei Kindern mit Menschenrechten. Sie engagiert sich zudem im Frauen- und Gleichstellungsbüro des Landkreises ebenso wie in der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde in Rotenburg.

Als Sroya 2003 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Deutschland kam, wo ihr Vater bereits Asyl beantragt hatte, da Ahmadis in Pakistan von Diskriminierung und Verfolgung bedroht sind, war sie sechs Jahre alt. Für mehrere Jahre lebten sie in Dillenburg in Mittelhessen, doch nach dem Realschulabschluss wanderte die mittlerweile sechsköpfige Familie erneut aus: Nach London-Wimbledon, wo die Großmutter nach dem Tod des Großvaters sonst allein gewesen wäre. Dort absolvierte Sroya ihr Abitur.

Studieren war ihr Ziel

„Pakistan ist ein schönes Land, doch die Religions- und Meinungsfreiheit ist dort stark eingeschränkt“, sagt die gläubige Muslima über ihre erste Heimat. Wie privilegiert sie in Europa leben kann, habe sie jedoch erst später als Erwachsene verstanden. „Unsere Eltern haben an ihren Werten festgehalten, sind aber trotzdem mit der Zeit gegangen und haben sich ihrer neuen Heimat angepasst“, so Sroya, die das so gerne auch ihren eigenen Kindern vorleben möchte.

In Pakistan lebt heute nur noch wenig entfernte Verwandtschaft. Sroyas Eltern und Schwestern sind nach wie vor in England heimisch. Nach Bad Hersfeld zog die 28-Jährige vor neun Jahren für ihren Ehemann, der ebenfalls gebürtig aus Pakistan kommt. Einander vorgestellt wurden die beiden über mehrere Ecken innerhalb der Familie. Von ihrer arrangierten Ehe erzählt Sroya ganz offen, die entgegen mancher falschen Annahme nichts mit Zwang zu tun gehabt habe. „Wir haben uns über zehn Monate kennengelernt und unsere Wünsche und Ziele klar abgesteckt und verglichen.“ Denn für sie sei immer schon klar gewesen, dass sie zwar entweder nach dem Abitur oder nach dem Studium heiraten, danach aber nicht „nur“ Hausfrau und Mutter sein möchte. „Ich wollte auf jeden Fall studieren und arbeiten“, berichtet die 28-Jährige, die sich mit 21 für die deutsche Staatsangehörigkeit entschied. Ihr Mann sei es auch gewesen, der sie dabei maßgeblich unterstützt und immer wieder motiviert habe, denn bis ihr englisches A-Level für das Studium in Deutschland offiziell anerkannt war, dauerte es neun Monate.

Im letzten Semester ihres Bachelor-Studiums in Sozial- und Kulturwissenschaften wurde sie schließlich schwanger, doch davon ließ sie sich nicht aufhalten. Wegen der Corona-Pandemie begann ihr Master-Studium „Human Rights“, in dem es um Menschenrechte im Bereich von Recht, Politik und Zivilgesellschaft ging, ohnehin online. Mit acht Monaten nahm sie ihre Tochter mit zur Uni, mit einem Jahr wurde die Kleine in der Krabbelgruppe der Uni aufgenommen.

Inzwischen hat sie auch den Master fast abgeschlossen und währenddessen noch einen Sohn bekommen. Aktuell befindet sich Sroya in der Recherchephase für ihre Abschlussarbeit, in der es um Kinderrechte geht. Dafür führt sie Interviews mit Kindern und Jugendlichen, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Wohngruppen im Landkreis leben. „Empirisch arbeiten mag ich“, erklärt Sroya, die 2022 beispielsweise für ein Feldforschungsprojekt in Pakistan Angehörige der dort ebenfalls verfolgten Transgender-Community befragt hat. „Menschenrechte betreffen alle“, betont die 28-Jährige.

Seit November ist sie außerdem im Frauen- und Gleichstellungsbüro des Landkreises beschäftigt, wo sie im Sommer 2024 bereits für drei Monate als Praktikantin mitgearbeitet hatte. „Frauenbezogene Themen interessieren mich sehr“, erklärt Sroya, die sich selbst als Feministin bezeichnet, wenngleich dieser Begriff heute oft negativ aufgefasst würde. Daran, dass sie bei Veranstaltungen des Frauenbüros in der Regel die einzige mit Kopftuch ist, hat sie sich gewöhnt.

Ganz bewusst für das Kopftuch entschieden habe sie sich in der zehnten Klasse gemeinsam mit einer Freundin. Auch Sroyas Mutter trägt eines, allerdings eher wie ein locker umgelegter Schal, wie es in Pakistan weit verbreitet sei. Ein Widerspruch zu ihrem Engagement für Frauenrechte oder gar ein Symbol für Unterdrückung sei das nicht. Im Gegenteil. „Man kann auch mit Kopftuch emanzipiert sein oder andersherum auch ohne Kopftuch unterdrückt werden“, sagt Sroya. „Ich mache das ganz allein für mich.“

Der Glaube sei ihr Leitfaden im Alltag. „Das Kopftuch gibt mir Stärke und motiviert mich, meinen Glauben zu leben.“ Dass sie damit in ihrer neuen Heimat auffällt, sei verständlich, und der Hijab als Zeichen des muslimischen Glaubens sei nun mal das Erste, was man sieht. Gleichwohl wünscht sich die 28-Jährige mehr Toleranz und mehr Dialog. Denn negative Kommentare und Vorurteile resultierten oft aus Unwissenheit oder fehlender Erfahrung, denkt sie.

Dass Haushalt und Erziehung gemeinsam gestemmt werden, ist für sie selbstverständlich, ebenso wie eigene Hobbys und Interessen. Wenn das in anderen Familien nicht der Fall ist, hat das für Sroya nichts mit der Religion oder dem Glauben zu tun. Vielmehr spielen dabei für die 28-Jährige Kultur, Sozialisation, Tradition und Erziehung eine große Rolle. Auch haben Frauen laut Islam das gleiche Recht auf Bildung wie Männer.

Duresmeen Ahmad Sroya spricht drei Sprachen: Urdu, die Nationalsprache Pakistans, Englisch und Deutsch. „Ich versuche, meine ursprüngliche Kultur am Leben zu erhalten und gleichzeitig die neue Kultur anzunehmen“, beschreibt sie ihren Alltag rund um Familie, Studium und Beruf. Jedem recht machen könne man es ohnehin nie. „Für die einen bin ich zu viel Muslima, für die anderen zu wenig.“

Was die Zukunft beruflich für sie bringt, ist noch offen. Zwar würde die Wahl-Hersfelderin gerne auch weiterhin Feldforschung betreiben, doch Familie und Karriere müssen vereinbar sein. Insofern steht Sroya vor den gleichen Herausforderungen wie viele andere Frauen, ob mit oder ohne Kopftuch. (Nadine Meier-Maaz)