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                 Boxmeister kämpft gegen Abschiebung

                                                    Artikel von Steven Micksch / F.R .

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                         Abdelkader Selmi hat einige Erfolge vorzuweisen. Nun droht die Ausweisung. © Rolf Oeser

Abdelkader Selmi stammt aus Algerien und lebt seit drei Jahren in Frankfurt. Obwohl er sportlich engagiert ist und eine Ausbildung hat, soll er nun das Land verlassen.

Nicht ohne Stolz zeigt Abdelkader Selmi seine Pokale, Medaillen und Urkunden: Hessenmeister im Boxen 2023, Deutscher U22-Meister 2023 in der Gewichtsklasse bis 67 Kilogramm, Dritter bei der DM der Männer im Elitebereich 2024. Man könnte die Liste noch ein Weilchen fortführen. Man könnte durchaus sagen, dass der 20-Jährige eine Bereicherung für die Menschen um ihn herum und auch für die Frankfurter Eintracht ist, für die er boxt. Doch das könnte bald ein Ende haben.

Denn Abdelkader Selmi hat das Pech, nicht in Deutschland geboren zu sein. Der junge Mann stammt aus Algerien und kam 2022 ins Land. Zuvor war er mit der algerischen Box-Nationalmannschaft bei einem Turnier in Frankreich gewesen. Dort setzte er sich ab und machte sich auf den Weg in die Bundesrepublik.

Der Traum vom Profi-Boxer

„Ich habe vorher niemandem etwas gesagt“, erzählt Selmi im Gespräch mit der FR. Seine Entscheidung sei ein Schock für seine Mutter gewesen. Auch zwei Brüder und eine Schwester ließ er in Nordafrika zurück. Selmi telefoniert regelmäßig mit seiner Familie, alle unterstützen ihn bei seinem Traum, der beste aller Boxer zu werden

Ich wollte von klein auf Profiboxer werden“, sagt er. In Algerien sei er in seiner Gewichts- und Altersklasse bereits die Nummer eins gewesen. Doch allgemeine Anerkennung erhielt er dafür nicht. Stattdessen erlebte er, auch in der Nationalmannschaft, Rassismus. Weil seine Haut dunkler ist als die vieler Algerier. Also stand für ihn fest, dass er weg muss, um mehr zu erreichen.

Da der Nationaltrainer beim Turnier in Frankreich alle Pässe eingesammelt hatte, kam Selmi nur mit einem Handyfoto seines Reisepasses nach Deutschland. Das Foto hatte er der Bundespolizei bei seiner Ankunft auch gezeigt, wie aus Unterlagen hervorgeht.

Ausbildung als Rohrleitungsbauer

Der junge Algerier spricht sehr gut Deutsch, mehr als ein Jahr lang besuchte er einen Integrationskurs in der Philipp-Holzmann-Schule in Frankfurt und geht dort momentan auch in die Berufsschule. Mittlerweile hat er sogar eine Ausbildung zum Tief- und Rohrleitungsbauer bei der Südwestdeutschen Rohrleitungsbau-Gesellschaft begonnen. Er baut Rohre, die für Wasser, Gas, Glasfaser und Stromkabel genutzt werden.

Sein Arbeitgeber nennt den 20-Jährigen einen „aufgeschlossenen und begeisterungsfähigen jungen Mann“, der sich als „überaus zuverlässiger und wichtiger Teamplayer“ bewährt habe. Eine Ausbildung also in einem systemrelevanten Beruf, für den es gar nicht so leicht sei, Auszubildende oder Fachkräfte zu gewinnen.

Ausländerbehörde will ihm keine Ausbildungsduldung geben

All das scheint in der Frankfurter Ausländerbehörde nicht zu zählen; eine Ausbildungsduldung hat die Behörde abgelehnt. Weil Selmi seine Identität nicht rechtzeitig geklärt habe. Nun ist das Foto eines Passes noch kein Dokument, allerdings hat der Algerier mittlerweile wieder einen Pass vom Konsulat seiner Heimat erhalten. Auch Selmis Anwalt beteuert, sein Mandant habe zu keinem Zeitpunkt seine Identität verschleiern wollen. Trotzdem bezeichnet die Behörde Selmi als „Identitätsverweigerer“.

Momentan ist der Fall Abdelkader Selmi an das Regierungspräsidium Darmstadt übergeben. Das wird sich am Dienstag mit ihm zu einem Ausreisegespräch treffen – und ihm die freiwillige Ausreise nahelegen. Kommt er dem nicht nach, droht seine Abschiebung. Denn Algerien gilt als sicheres Herkunftsland, eine Ausweisung ist rechtlich problemlos möglich. Gleichwohl, sagt Selmis Anwalt, gebe das Aufenthaltsgesetz es durchaus her, dass Behörden „im Wege des Ermessens“ zugunsten seines Mandanten entscheiden könnten.

Gesellschaftliches Signal senden“

Das Regierungspräsidium will sich aus Datenschutzgründen nicht äußern. Es verweist zudem auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Asylentscheidungen treffe. Das hessische Innenministerium beruft sich ebenfalls auf den Datenschutz und teilt noch mit, dass „in der Sache gegenwärtig ein Petitionsverfahren beim Hessischen Landtag anhängig ist“. Darin wird um den Verbleib Selmis in Deutschland gebeten.

Auch Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) hat sich mittlerweile mit einem Brief an das RP Darmstadt gewandt. Darin bittet er Regierungspräsident Jan Hilligardt, den Fall „im Rahmen Ihres Ermessens“ erneut zu prüfen. Josef lobt die besondere Integrationsleistung Selmis und endet mit den Worten: „Es geht nicht nur um einen Einzelfall, sondern auch um das gesellschaftliche Signal, das wir senden: Wer sich mit aller Kraft einbringt, soll faire Chancen erhalten.“

Abdelkader Selmi hofft derweil, dass seine Geschichte ein gutes Ende nimmt. „Es geht mir schlecht“, sagt er angesichts der Ungewissheit. Darunter leide auch seine sportliche Karriere: „Ich habe keinen Kopf fürs Training. Und nachts kann ich oft nicht schlafen.“