Menschenrechtler werfen Türkei illegale Abschiebungen von Syrern vor
Mehr als drei Millionen Syrer leben in der Türkei unter temporärem Schutz und dürften nicht gegen ihren Willen abgeschoben werden. Laut Human Rights Watch hat die Regierung dagegen verstoßen.
Von: Spiegel
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat der Türkei illegale Rückführungen von Geflüchteten nach Nordsyrien vorgeworfen. Die Türkei habe trotz katastrophaler Bedingungen im Norden des Bürgerkriegslandes seit mindestens 2017 »Tausende syrische Flüchtlinge festgenommen, inhaftiert und kurzerhand abgeschoben«, schrieb die Organisation am Donnerstag in einem Bericht. Die Geflüchteten seien dabei oft dazu gezwungen worden, zu unterschreiben, dass sie »freiwillig« zurückkehrten. Human Rights Watch berief sich auf Interviews mit Geflüchteten, Menschenrechtsgruppen und einem Grenzbeamten. Ankara äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Im vergangenen Jahr habe die Türkei zunehmend Syrer über den Grenzübergang Tal Abjad zurückgeschickt, der seit 2019 unter Kontrolle von mit der Türkei verbündeten Rebellen steht, hieß es in dem HRW-Bericht. Die Türkei gebe zwar an, sie wolle die von ihr kontrollierten Gebiete in Nordsyrien in sogenannte »sichere Zonen« verwandeln, in Wahrheit gebe es in den Gebieten aber immer wieder Menschenrechtsverletzungen. Erst Anfang März hatte HRW der Türkei vorgeworfen, für Misshandlungen in von ihr kontrollierten Gebieten in Nordsyrien verantwortlich zu sein. Ankara hatte die Vorwürfe scharf zurückgewiesen.
Die Türkei hat seit 2016 mehrere Militäroperationen in Nordsyrien durchgeführt, die sich vor allem gegen die Kurdenmiliz YPG richteten. Das türkische Militär kontrolliert dort Grenzgebiete und unterstützt unter anderem die aus mehreren Gruppierungen bestehende Rebellengruppe Syrische Nationale Armee (SNA).