Sondierungen: Worauf sich Union und SPD geeinigt haben
Von :dpa
Migration, Steuern, Verteidung: Union und SPD haben mit ihrem Sondierungspapier die erste Grundlage für eine neue Regierung geschaffen. Die wichtigsten schwarz-roten Pläne im Überblick.
Sondierungen: Worauf sich Union und SPD geeinigt haben © Annegret Hilse / REUTERS
Union und SPD haben sich knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl auf ein gemeinsames Sondierungspapier geeinigt. Das haben die Spitzen beider Parteien am Samstag in Berlin verkündet.
Das elfseitige Papier dient als Grundlage für nun folgende Koalitionsverhandlungen und handelt viele Themenfelder ab. Während es an zahlreichen Stellen noch vage bleibt, finden sich an anderen Punkten bereits konkrete Ziele und Maßnahmen.
Migration
Vor allem Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) sprachen bei der gemeinsamen Pressekonferenz lange über das Thema Migration. Auch Aspekte aus dem von Merz im Wahlkampf verkündeten Fünfpunkteplan finden sich im Sondierungspapier wieder:
- Menschen, die ein Asylgesuch stellen, sollen künftig an den Landesgrenzen zurückgewiesen Dies soll in Abstimmung mit den europäischen Nachbarländern geschehen.
- Das von der Ampelkoalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben. Die verkürzten Wartefristen für eine Einbürgerung und der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger sollen bleiben.
- Es soll verfassungsrechtlich geprüft werden, ob Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann.
- Für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte soll der Familiennachzug befristet ausgesetzt werden. Freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes, über die etwa Menschen aus Afghanistan nach Deutschland kommen können, sollen beendet werden, kündigte Söder an.
- Es soll mehr Investitionen in Integration geben, etwa bei Integrationskursen und durch eine Ausweitung des Startchancen-Programms auf Kitas.
as Ziel der »Begrenzung« der Migration soll wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenomme
Bürgergeld
Ein weiterer großer Streitpunkt war das Bürgergeld. „Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende“, sagte Merz nun nach den Gesprächen. Er kündigte an: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung setzen, das sei fair und gerecht. Die Verschärfung der Sanktionen soll die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten - das könnte zu Einschränkungen der Pläne führen. Geplant ist weiter, den Vermittlungsvorrang wieder einzuführen, das würde bedeuten, dass der Fokus eher auf Arbeitsvermittlung statt Weiterbildung liegen würde.
Arbeitszeit und Mindestlohn
Merz kündigte an, man werde im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz schaffen. „Und wir werden Überstundenzuschläge steuerfrei stellen, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen.“ Außerdem wollen Union und SPD eine höhere Tarifbindung in Deutschland erreichen und dafür ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen. Das war in der Ampelkoalition wegen der FDP gescheitert. Zudem erwarten beide Parteien im Jahr 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro, der allerdings von der Mindestlohnkommission festgelegt werden soll.
Rente und Pflege
Wer in der Rente noch freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Die sogenannte Mütterrente soll ausgeweitet werden: Auch für vor 1992 geborene Kinder sollen drei statt wie bisher maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden. Die Forderung geht auf die CSU zurück.
Union und SPD wollen das „Rentenniveau“ sichern: Ob bei 48 Prozent, darunter oder darüber, ist unklar. Das von der Union im Wahlkampf vorgeschlagene Konzept der Frühstartrente soll in den Koalitionsverhandlungen näher besprochen werden. CDU und CSU hatten vorgeschlagen, dass junge Menschen im Alter zwischen sechs und 18 Jahren jeden Monat zehn Euro in ein eigenes Kapitalmarktdepot als „Startvermögen“ eingezahlt bekommen sollen. Angesichts immer weiter steigender Milliardenkosten wollen Union und SPD „eine große Pflegereform“ auf den Weg bringen.
Wirtschaft und Industrie
Union und SPD wollen strategisch wichtige Branchen in Deuschland halten beziehungsweise neu ansiedeln. Dabei nennen sie etwa die Halbleiterindustrie und Pharma. Um die schleppende Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker anzukurbeln, planen Union und SPD wieder „einen Kaufanreiz“. Eine bestehende Kaufprämie war Ende 2023 wegen Haushaltsnöten der Ampel abrupt gestoppt worden, danach sackte die Nachfrage spürbar ab. Das Aus für Agrardiesel-Vergünstigungen für Bauern soll gekippt werden. Angedacht ist eine Unternehmenssteuerreform sowie „spürbare Anreize“ für unternehmerische Investitionen in Deutschland. Bürokratiekosten für Unternehmen sollen in den nächsten vier Jahren um 25 Prozent reduziert werden.
Steuern und Energiekosten
Zur Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten wollen Union und SPD die Stromsteuer senken. Konkret soll sie auf den in der EU erlaubten Mindestwert gesenkt werden. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises. Wirtschaftsverbände beklagen seit Langem im internationalen Vergleich hohe Energiekosten. Dies hemme Investitionen in Deutschland.
Zudem ist eine Einkommenssteuerreform geplant, um „die breite Mittelschicht“ zu entlasten. Konkret werden SPD und Union im Sondierungspapier nicht. Die Pendlerpauschale soll erhöht werden. Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll dauerhaft auf 7 Prozent sinken. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie war bereits in der Corona-Zeit von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, allerdings nur vorübergehend.
Keine Alternative zu Schwarz-Rot
Die Union hatte die Bundestagswahl am 23. Februar mit 28,5 Prozent deutlich gewonnen. Die SPD landete mit 16,4 Prozent hinter der AfD (20,8 Prozent). Eine Alternative zur schwarz-roten Koalition gibt es nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird.
RND/mnd/dpa